Der Gütetermin
Das Wort „Gütetermin“ ist irreführend, denn es ist nichts bei diesem Verfahren zu bemerken, was man im alltäglichen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Güte“ in Verbindung bringen würde. – Das liegt wahrscheinlich daran, daß das formale Gerüst, dem die Handelnden sich zu fügen haben, der Güte keinen Raum läßt zu obwalten.

Bemerkenswert an diesem Termin war vor allem, daß mein Prozeßgegner, das Land, hier erstmals ein Gesicht bekam. Es war ein erschütternder Anblick: Die freudlosen Jahre in der Amtsstube hatten sich derart in die Physiognomie dieser Person eingegraben, daß es mir bitter aufstieß.

Viel unheimlicher war aber, daß dieser Mensch, entgegen dem ersten Anschein, eben kein kalter Technokrat war. Die Paragraphen, Verordnungen, Erlasse und Handreichungen, mit denen er tagtäglich arbeiten mußte, hatten offensichtlich sein Denken derart okkupiert, daß er die Sache persönlich nahm. Voller Unmut, geradezu angeekelt, nahm er zu meiner Sache Stellung. Es schien ihm unverständlich, warum ich glaubte, einen Anspruch auf eine dauerhafte Beschäftigung erworben zu haben: Jeder der vierundzwanzig Verträge, die ich unterschrieben hatte, besagte doch ganz eindeutig das Gegenteil.

Der Richter erkannte schnell, daß hier nichts zu holen war und setzte einen Termin für die Verhandlung an.